"DEALicious Insights"

mit Rechtsanwalt Dr. Martin Berner, LL.B.

 

Nachfolge ist eines dieser Themen, die gern aufgeschoben werden. Man weiß, dass man sich kümmern sollte, aber es passt nie. Zu sensibel, zu komplex, zu persönlich.
Dabei geht es nicht nur um die Frage, wer was bekommt. Es geht um Verantwortung gegenüber dem Unternehmen, den Mitarbeitenden und der eigenen Familie. Darum, Strukturen zu schaffen, bevor Emotionen das Ruder übernehmen.
Ich habe mit Dr. Martin Berner gesprochen. Er ist Rechtsanwalt bei gabor partners Rechtsanwälte in Stuttgart und berät seit vielen Jahren Unternehmerfamilien in Fragen rund um Nachfolge, Gesellschaftsrecht und Konfliktlösung.
In unserem Gespräch erläutert er, warum Nachfolgeplanung nicht nur juristische Präzision braucht, sondern auch Klarheit, Kommunikation und manchmal ein bisschen Mut.

 

Nachfolgeplanung zwischen Recht und Realität

Die nächste Generation übernimmt das Ruder. So einfach stellen sich viele Unternehmer ihre Nachfolge vor. Doch als ich mit Dr. Martin Berner spreche, wird mir klar: Ganz so einfach ist es nun doch nicht.

In unserem Gespräch zeigt er mir auf, dass Nachfolgeplanung keineswegs nur ein einzelner Akt, sondern ein Zusammenspiel von Gesellschafts- und Erbrecht, aber auch von Familie und Realität ist.

„Viele glauben, mit der Verfügung von Todes wegen, also dem Testament oder Erbvertrag, sei schon alles geregelt“, sagt Dr. Berner gleich zu Beginn unseres Gespräches. „Dabei ist das weniger als die Hälfte der Geschichte.“

Das hängt primär mit der Zweispurigkeit von Gesellschaftsrecht einerseits und Erbrecht andererseits zusammen. So regelt der Gesellschaftsvertrag die Rechtsbeziehungen unter den Gesellschaftern und damit u.a. ob und ggf. welche Nachfolger die Mitgesellschafter hinzunehmen verpflichtet sind, während das Erbrecht die Rechtsbeziehungen des Gesellschafters gegenüber seinen Erben regelt – also auch, wer Nachfolger seines Geschäftsanteils werden soll.

Ein Gesellschafter muss also bei Errichtung seines Testamentes den Gesellschaftsvertrag überprüfen, um in einer dem Gesellschaftsvertrag konformen Art und Weise über den Geschäftsanteil zu testieren.

Dabei kommt es auch auf die Gesellschaftsform an. Bei Personengesellschaften z.B., also beispielsweise der GbR, OHG oder KG, führt der Tod eines Gesellschafters nach der gesetzlichen Regelung dazu, dass dieser aus der Gesellschaft ausscheidet. Seine Erben bekommen dann eine Abfindung.

Der Gesellschaftsvertrag kann jedoch Nachfolgeklauseln enthalten – einfache oder qualifizierte – die die Aufnahme aller oder bestimmter Erben ermöglichen.
Letzteres beides klingt zunächst nach Kontinuität, kann aber neue Probleme schaffen, indem plötzlich Personen am Gesellschaftertisch sitzen, die weder im Unternehmen arbeiten, noch Entscheidungen treffen können oder sollen.

„So kann sowohl ein Ausscheiden mit dem Todesfall als auch eine Nachfolge durch alle oder einzelne Erben sinnvoll sein – das ist Frage von Familie und Realität“, sagt Dr. Berner.

„Entscheidend ist, dass eine bewusste Regelung im Sinne der Unternehmensfortführung getroffen wird.“

Er zeigt mir einen Satz aus einem typischen Gesellschaftsvertrag. Auf den ersten Blick unscheinbar, doch dieser kleine Satz kann über das Schicksal eines Unternehmens entscheiden: die berühmte Nachfolgeklausel.
„Eine einfache Nachfolgeklausel bedeutet, dass alle Erben automatisch Gesellschafter werden“, erklärt er.
„Das kann exemplarisch dazu führen, dass fünf Personen mitreden wollen, von denen vier keine Ahnung vom Geschäft haben.“
Eine qualifizierte Nachfolgeklausel, die nur bestimmte, namentlich benannte oder bestimmte Voraussetzungen erfüllende Erben zur Nachfolge in den Gesellschaftsanteil zulässt, kann das verhindern. So kann z.B. festgelegt werden, dass nur im Unternehmen tätige Familienmitglieder oder Personen mit einer bestimmten Qualifikation nachfolgeberechtigt sind.

Ich frage, warum das wichtig ist.

Dr. Berner erzählt mir daraufhin von einem Fall, der ihn einige Zeit beschäftigt hat. Es ging dabei um eine landwirtschaftliche „Arbeitsgesellschaft“ zweier Brüder, sprich eine Gesellschaft, die auf die Mitarbeit beider Brüder im Rahmen der landwirtschaftlichen Tätigkeit angelegt war. Einer der Brüder verstarb. Er hinterließ seine Frau und zwei Minderjährige Kinder als Erben. Der Gesellschaftsvertrag enthielt eine einfache Nachfolgeklausel.

Was war also passiert: U.a. zwei minderjährige Kinder hatten Anteile am Familienunternehmen geerbt, wurden Gesellschafter. Beide Kinder waren aber minderjährig – und damit nicht nur als Gesellschafter handlungsunfähig, sondern auch nicht zur Mitarbeit im Stande. Eine Vertretung der beiden minderjährigen Kinder durch die Mutter schied im gesellschaftsrechtlichen Kontext weitestgehend wegen drohender Interessenkonflikte aus. Dementsprechend war stetig das Familiengericht in die gesellschaftsrechtliche Entscheidungsfindung einzubeziehen.

„Das Ergebnis: Stillstand im Unternehmen. Und das obwohl doch dringend Entscheidungen hermussten, war doch eine der zwei zentralen Arbeitskräfte weggefallen.
Besonders heikel: Als Gesellschaftern stand der Ehefrau des verstorbenen Bruders sowie den minderjährigen Kindern Gewinnbeteiligung zu. Gewinn der nunmehr nur noch von einem erarbeitet wurde. Faktisch war das Grundgerüst der Gesellschaft ad absurdum geführt worden. „Die wirtschaftliche Verantwortung und die rechtliche Zuständigkeit fielen auseinander.“

Im Laufe des Gesprächs merke ich, dass viele dieser Situationen vermeidbar wären, wenn die verschiedenen rechtlichen Ebenen zusammen gedacht würden und dabei der Blick auf die wirtschaftlichen Verhältnisse wie auch die familiären Bande nicht unberücksichtigt bliebe.

Dr. Berner erklärt, dass Erbrecht und Gesellschaftsrecht fein abgestimmt sein müssen. Nicht zuletzt auch aus steuerlichen Gründen. Gelingt der Übergang der Gesellschafterstellung auf einen nachfolgeberechtigten Erben nicht, droht eine Versteuerung nach § 10 Abs. 10 ErbStG. Hiernach hat der Erbe, dessen Geschäftsanteil im Nachhinein gegen Abfindung eingezogen wird, den Abfindungsanspruch ohne die Begünstigungen nach den §§ 13a, 13b, 19 ErbStG, die eine Verschonung bis zu 100 % ermöglichen, voll zu versteuern.

Abseits dessen gilt es im Kontext der Nachfolge auch einen weiteren wesentlichen Punkt zu bedenken: Die Finanzierung etwaiger Ausgleichsansprüche. Wenn bestimmte Erben die Gesellschaftsanteile erhalten, aber alle gleichmäßig erben, müssen die übrigen Erben ausgeglichen werden. Das Kapital dafür steckt jedoch meist im Unternehmen.

„Dann muss Liquidität geschaffen werden, wo keine ist“, sagt Dr. Berner. „Das kann selbst gesunde Betriebe unter Druck bringen.“
Ich frage ihn, was er Unternehmern rät, die das Thema immer wieder aufschieben. „Je früher, desto besser“, sagt er ohne Zögern. Nachfolgeplanung ist keine Theorie. Es geht um Verantwortung für die Familie, für das Unternehmen, für die Mitarbeitenden.“

Dr. Berner sieht Nachfolge nicht als rein juristische Aufgabe, sondern als einen Gestaltungsprozess. In letztwilligen Verfügungen und Gesellschaftsverträgen lassen sich Regelungen treffen, die Stillstand verhindern: Nachfolgeklauseln, klare Vertretungsregelungen, Ausgleichsregelungen und vieles mehr.

Damit lässt sich Zukunft sichern und gewährleisten, dass ein Unternehmen nicht handlungsunfähig wird, wenn sich die Eigentumsverhältnisse in der Nachfolge ändern.
Als ich das Gespräch verlasse, bleibt vor allem ein Gedanke: Nachfolge ist definitiv kein einzelnes Ereignis, sondern ein Prozess, der durchdacht werden muss. Wer ihn früh gestaltet, schützt nicht nur Werte, sondern Beziehungen und vermeidet im Nachgang Konflikte, die unendlich Kraft zerren können.

„Vertrauen ist gut“, sagt Dr. Berner zum Schluss, „aber klare Regeln sind besser.

Ein Satz der hängen bleibt und dem man schwer widersprechen kann…



Wie sich diese Themen in der Praxis zeigen, darüber habe ich persönlich mit Dr. Martin Berner gesprochen. Einem Experten, der Nachfolge mit juristischem und menschlichem Blick betrachtet.

Interview mit Dr. Martin Berner, Rechtsanwalt bei gabor partners Rechtsanwälte

Dr. Berner, vielen Dank das Sie sich die Zeit für unser Interview nehmen! Wenn Sie auf das Thema Nachfolge in Deutschland blicken: Fehlt uns eher rechtliche Klarheit oder der Mut, Verantwortung zu übernehmen? Und warum tun sich gerade Unternehmer damit so schwer, obwohl sie im Alltag gewohnt sind, Entscheidungen zu treffen?

Dr. Berner: „Beides gehört zusammen. Wir haben rechtlich gesehen ein sehr komplexes System. Hinein spielen vor allem Erb- Gesellschafts- und Steuerrecht. Was oft fehlt ist der Wille, sich frühzeitig mit Nachfolge auseinanderzusetzen. Schließlich beschäftigt sich niemand gerne mit der Frage „Was ist, wenn ich nicht mehr bin?“. Nachfolge ist allerdings kein rein juristischer Akt. Es ist ein Prozess, der mit Verantwortung beginnt, für die Familie, die Mitarbeitenden und das Unternehmen selbst. Viele Unternehmer schieben das Thema vor sich her, weil es unbequem ist. Aber genau da beginnt Klarheit: Wenn man Verantwortung nicht nur fühlt, sondern gestaltet. Rechtliche Strukturen sind wichtig, aber sie ersetzen nicht die Einführung des Nachfolgers. Wer beides zusammenbringt, Mut zur Offenheit und eine saubere rechtliche Basis, sichert nicht nur den Fortbestand des Unternehmens, sondern auch den inneren Frieden der Familie.“

Viele Unternehmer unterschätzen, wie komplex Nachfolge wird, wenn Familie und Recht aufeinandertreffen. Was ist der häufigste Moment, an dem Sie denken: „Das hätte man verhindern können“?

Dr. Berner: „Der kommt meist, wenn der Erbfall schon eingetreten ist. Dann existieren keine Gestaltungsmöglichkeiten mehr. Es kann nichts mehr „zurückgerückt“ werden. Wer frühzeitig plant, kann steuern: Wer soll übernehmen? Wie werden Anteile übertragen? Wie bleibt das Unternehmen handlungsfähig? Nachfolgeplanung ist keine Theorie, sie ist Risikomanagement.“

Wo kippen Nachfolgeregelungen am häufigsten? Geht es wirklich um Recht oder eher um Macht, Kontrolle und verletztes Vertrauen?

Dr. Berner: „Meist kippt es an den Stellen, wo das Menschliche unterschätzt wird. Viele glauben, Konflikte im Kontext unternehmerischer Nachfolge seien solche rein juristischer Natur, von monetären Aspekten getrieben. Tatsächlich sind sie häufig emotional. Bei einem Familienunternehmen überlagern sich verschiedene Sphären: Familie, Gesellschafterkreis und Unternehmen. Jede ist bereits für sich konfliktträchtig, was sich infolge der Überlagerung potenziert. Hierauf gründet das Bermudadreieck von Geld, Macht und Liebe, auf das sich nahezu sämtliche Gesellschafterstreitigkeiten zurückführen lassen. Rechtliche Strukturen können Spannungen auffangen, aber sie können keine Beziehungen reparieren. Wenn man das verwechselt, wird aus einem Streit über Paragrafen schnell ein Streit über Prinzipien.“

In der Nachfolgeplanung geht es juristisch um Strukturen, menschlich um Vertrauen und Verantwortung. Was ist schwerer zu gestalten und wann scheitert Vertrauen am Gesetz?

Dr. Berner: „Ganz klar: das Vertrauen. Verträge kann man gestalten und weitgehend beliebig anpassen. Vertrauen entsteht langfristig – und bricht ganz schnell. In der Nachfolgeplanung geht es selten nur um Paragrafen. Es geht um Menschen, um Erwartungen, um unausgesprochene Dinge zwischen den Zeilen. Meine Rolle ist dann oft weniger die des Juristen, sondern die eines Übersetzers zwischen Generationen, zwischen Emotion und Struktur. Gute Nachfolge gelingt nur, wenn beides zusammenkommt: Rechtliche Klarheit und menschliches Verständnis. Wenn man das vermittelt, bevor Konflikte entstehen, bleibt am Ende nicht nur das Unternehmen stabil, sondern auch die Familie.“

Wenn Liquidität fehlt, um andere Erben auszuzahlen, stehen Unternehmen schnell unter Druck. Was passiert in solchen Momenten wirklich, rechtlich und menschlich? Und wie verhindert man, dass aus Zahlen ein Konflikt wird?

Dr. Berner: „Das ist ein klassisches Problem. Der Wert steckt meist im Unternehmen, nicht auf dem Konto. Wenn einer die Anteile übernimmt, müssen andere Erben ausgezahlt werden. Aber wovon? Klare Regelungen können vermeiden, dass sich diese Frage überhaupt erst stellt. So bleibt das Unternehmen zahlungsfähig und die Familie handlungsfähig.“

Sie begleiten Unternehmerfamilien oft über Jahre. Was haben Sie in diesen Gesprächen über Menschen gelernt, was kein Gesetzbuch vermittelt?

Dr. Berner: „Dass Nachfolge nie nur eine Frage des Besitzens ist, sondern immer auch eine Frage des Loslassens. Viele Unternehmer wollen Kontrolle behalten aus Verantwortung, aber auch aus Angst. Wenn man das offen anspricht, verändert sich vieles. Man merkt: Nachfolge heißt nicht Abschied, sondern Weitergabe. Und die gelingt nur, wenn man Vertrauen hat in die Nächsten, aber auch in das, was man selbst geschaffen hat.“

Was sagen Sie Unternehmerinnen und Unternehmern, die wissen, dass sie handeln müssten, aber den ersten Schritt immer wieder verschieben? Woran erkennen Sie, dass jemand wirklich bereit ist, Verantwortung zu übernehmen?

Dr. Berner: „Am Moment der Ehrlichkeit. Wenn jemand sagt: ‚Ich weiß, dass ich es regeln muss und ich weiß, dass es unangenehm wird.‘ Das ist der Punkt, an dem Gestaltung möglich wird. Je früher man beginnt, desto größer ist der Spielraum. Nachfolgeplanung ist kein Zeichen von Misstrauen, sondern von Fürsorge. Sie schafft Sicherheit für alle Beteiligten. Familie, Mitarbeitende und Unternehmen.“

Und wenn jemand sagt: „Ich weiß, ich muss mich kümmern, aber ich weiß nicht, wo ich anfangen soll“, was ist dann der erste Schritt?

Dr. Berner: „Ein Gespräch. Wir schauen gemeinsam auf die Situation, auf Strukturen, auf Familie und auf das, was bleiben soll. Danach ergibt sich der Weg fast von selbst. Eine gute Lösung ist nie nur juristisch richtig, sie ist verstanden, akzeptiert und tragfähig.“

Nachfolge ist kein juristischer Akt, sondern ein Prozess, der Mut und Weitblick verlangt. Viele Konflikte entstehen, weil zu spät gesprochen und geregelt wird.
Was Dr. Berner deutlich macht: Rechtliche Klarheit und menschliche Offenheit schließen sich nicht aus, sondern bedingen einander. Gute Nachfolgeplanung schützt nicht nur Vermögen, sondern Beziehungen. Wer sie rechtzeitig gestaltet, schafft etwas, das über vieles hinausgeht: Frieden in der Familie.

Ein Satz aus unserem Gespräch bleibt besonders hängen:

„Verträge kann man gestalten. Vertrauen muss man gestalten.“

Ich bedanke mich herzlich bei Dr. Martin Berner von gabor partners Rechtsanwälte ( www.gabor-partners.de ) für das inspirierende Interview und die wertvollen Gedanken zum Thema Nachfolge!

Zürich, den 31.10.2025 - findSolutions AG - Andrea Schaller

 


 

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