Nachfolge weiblich gedacht
Wenn Unternehmerinnen ihr Unternehmen verkaufen - Besonderheiten, Dynamiken und professionelle Begleitung
In der Schweiz stehen in den kommenden Jahren rund 90 000 kleine und mittlere Unternehmen (KMU) vor einer Nachfolgeregelung oder einem möglichen Verkauf. Diese Übergänge sind nicht nur betriebswirtschaftliche Vorgänge, sondern prägende Lebensereignisse für die Menschen, die sie tragen. Zunehmend betrifft diese Phase Unternehmerinnen. Frauen, die über Jahre ein Unternehmen aufgebaut, geführt oder weiterentwickelt haben und nun vor der Frage stehen, wie sie es in gute Hände übergeben können.
Laut der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung (SAKE) des Bundesamts für Statistik lag der Anteil der Unternehmerinnen im zweiten Quartal 2024 bei 41 Prozent innerhalb der gesamten Gruppe der Unternehmenden. Bezogen auf die weibliche Bevölkerung sind 7,2 Prozent der Frauen unternehmerisch tätig, im Vergleich zu 10,5 Prozent der Männer. Auch bei Neugründungen steigt der Anteil kontinuierlich: 37,7 Prozent der 2022 gegründeten Unternehmen wurden von Frauen initiiert.
Diese Entwicklung zeigt: Unternehmerinnen prägen die Schweizer Wirtschaft zunehmend. Als Gründerinnen, Eigentümerinnen und Führungspersönlichkeiten. Damit wächst auch die Bedeutung, Nachfolgeprozesse aus weiblicher Perspektive zu verstehen und professionell zu begleiten.
Nachfolge ist nicht gleich Nachfolge
In ihrer Struktur unterscheidet sich eine weibliche Unternehmensnachfolge kaum von einer männlichen. Bewertungsverfahren, Transaktionsmechanismen und rechtliche Abläufe folgen denselben Grundprinzipien. Was sich jedoch deutlich unterscheidet, ist die Gewichtung der Themen.
Unternehmerinnen setzen in Nachfolgeprozessen oft andere Prioritäten als ihre männlichen Kollegen. Nicht, weil sie grundsätzlich anders handeln, sondern weil sie Verantwortung, Führung und Übergabe aus einer erweiterten Perspektive betrachten. Mehrere Aspekte prägen diese Unterschiede:
1. Strategische Weitsicht statt kurzfristiger Exit-Logik Unternehmerinnen denken in Übergängen, nicht in Abschlüssen. Während Männer tendenziell stärker auf Zeitpunkt, Rendite und Transaktion optimieren, legen viele Unternehmerinnen Wert auf Nachhaltigkeit und den Fortbestand des Geschaffenen. Die zentrale Frage lautet: Wie kann das, was aufgebaut wurde, langfristig erhalten und weitergeführt werden?
2. Ganzheitliche Verantwortung Viele Unternehmerinnen sehen ihr Unternehmen als gewachsenes Ganzes, als soziales System aus Menschen, Beziehungen und Verpflichtungen. Mitarbeitende, Kunden und Partner werden aktiv in die Überlegungen einbezogen. Ein Verkauf ist für sie weniger die Abgabe von Eigentum, sondern die Weitergabe von Verantwortung.
3. Klarheit und Struktur als Entscheidungsbasis Unternehmerinnen treffen Entscheidungen dann, wenn sie sowohl fachlich überzeugt als auch emotional bereit sind. Transparente Prozesse, klare Kommunikation und nachvollziehbare Schritte sind für sie zentrale Voraussetzungen, um Vertrauen aufzubauen und die Kontrolle über den Prozess zu behalten.
4. Vertrauen als Schlüsselvariable Für viele Unternehmerinnen ist Vertrauen wichtiger als der höchste Verkaufspreis. Sie wünschen sich Nachfolger, die ihre Werte verstehen und respektieren und Berater, die zuhören, Orientierung geben und auf Augenhöhe begleiten.
5. Emotionale Intelligenz mit Business-Kompass Empathie bedeutet im Nachfolgekontext nicht Nachgiebigkeit, sondern die Fähigkeit, emotionale Logik in betriebswirtschaftliche Entscheidungen zu übersetzen. Eine erfolgreiche Begleitung erkennt, dass Emotionen und rationale Planung keine Gegensätze sind, sondern sich gegenseitig stärken.
6. Zukunftsgestaltung statt Abschied Unternehmerinnen richten ihren Blick nicht nur auf das Unternehmen, sondern auch auf sich selbst. Sie fragen sich, welche Rolle sie nach dem Verkauf einnehmen wollen, als Mentorin, Beirätin oder Investorin. Eine gute Begleitung unterstützt daher nicht nur die Transaktion, sondern auch die persönliche Neuorientierung.
Unternehmerinnen betrachten ihr Unternehmen also selten als rein wirtschaftliches Gebilde, sondern als gewachsenes Ganzes, geprägt von Verantwortung, Menschen, Beziehungen und Werten. Der Verkauf ist für sie nicht nur ein finanzieller Schritt, sondern ein Übergang, bei dem der Fortbestand dessen, was aufgebaut wurde, im Mittelpunkt steht.
Viele Unternehmerinnen möchten sicherstellen, dass ihr Unternehmen nicht nur erfolgreich bleibt, sondern auch im Sinne seiner Kultur, seiner Mitarbeitenden und seiner Kundschaft weitergeführt wird. Diese Sichtweise verändert die Dynamik im Verkaufsprozess spürbar. Entscheidungen werden weniger von kurzfristigen Ertragserwartungen, sondern stärker von Fragen der Kontinuität und des Vertrauens geleitet.
Damit wird der Unternehmensverkauf weniger zu einer Transaktion als zu einem Dialog zwischen der Unternehmerin, den potenziellen Käuferinnen oder Käufern, den Mitarbeitenden und den beratenden Personen. Für viele Unternehmerinnen steht zu Beginn nicht die Preisverhandlung im Vordergrund, sondern die Suche nach einer Nachfolge, die sowohl fachlich als auch menschlich überzeugt.
In dieser Phase kommt der Begleitung durch M&A-Beraterinnen und -Berater besondere Bedeutung zu. Unternehmerinnen erwarten selbstverständlich dieselbe Professionalität in der finanziellen, steuerlichen und juristischen Abwicklung wie jeder andere Mandant. Gleichzeitig wünschen sie sich eine Beratung, die auch die persönlichen Dimensionen des Prozesses berücksichtigt. Eine gute Begleitung erkennt, dass wirtschaftliche Effizienz und emotionale Stabilität keine Gegensätze sind, sondern sich gegenseitig stärken können.
Zentral sind für Unternehmerinnen eine klare, transparente Kommunikation und eine nachvollziehbare Entscheidungsstruktur. Sie erwarten, dass jeder Schritt im Prozess erklärt, vorbereitet und strategisch eingeordnet wird. Vertrauen, Planbarkeit und eine stufenweise Übergabe, die Wissen, Beziehungen und Verantwortung schrittweise überträgt, gelten als wesentliche Erfolgsfaktoren.
Für Berater und Beraterinnen bedeutet das, fachliche Kompetenz mit Kommunikations- und Prozessstärke zu verbinden. Wer in der Lage ist, komplexe Übergänge zu strukturieren, Emotionen und Interessen zu moderieren und alle Beteiligten einzubinden, schafft die Grundlage für einen nachhaltigen Abschluss und eine stabile Übergabephase.
Darüber hinaus kann es gerade in dieser Phase sinnvoll sein, der Unternehmerin selbst gezielt externe Unterstützung anzubieten, etwa durch erfahrene Berater oder Beraterinnen aus Coaching, Nachfolgepsychologie oder Organisationsentwicklung. Diese Begleitung richtet sich nicht auf das Unternehmen, sondern auf die Unternehmerin als handelnde Person. Sie unterstützt beim bewussten Prozess des Loslassens, bei strategischen Entscheidungen und bei der Entwicklung einer neuen persönlichen Perspektive nach der Übergabe.
Solche externen Sparringspartner- oder -partnerinnen tragen dazu bei, dass die Unternehmerin nicht ausschliesslich als Eigentümerin gesehen wird, sondern als Person mit neuen Zielen und Potenzialen. Der Fokus verschiebt sich damit vom Unternehmen auf die Akteurin, die über Jahre dessen Erfolg geprägt hat. Diese Form der Begleitung stärkt die Unternehmerin darin, den Übergang aktiv zu gestalten, Prioritäten zu klären und die nächste Lebensphase als bewusste Neuausrichtung zu begreifen, nicht als Verlust.
Wenn Nachfolgeprozesse auf diese Weise ganzheitlich gestaltet werden, entsteht ein Zusammenspiel von ökonomischer, organisatorischer und persönlicher Stabilität. So wird der Unternehmensverkauf nicht nur zu einem finanziellen Abschluss, sondern zu einem kontrollierten, nachhaltigen Übergang, der Zukunft schafft, für das Unternehmen und für die Unternehmerin selbst.
Weibliche Nachfolge als Chance
Weibliche Unternehmensnachfolge ist kein Sonderfall. Sie ist ein ungenutztes Potenzial. Denn dort, wo Frauen Unternehmen führen oder übergeben, zeigen sich oft neue Formen von Verantwortung, Kommunikation und Nachhaltigkeit, die für die Zukunft der KMU-Landschaft richtungsweisend sind.
Für den Markt bedeutet das, weibliche Nachfolge nicht als Ausnahme, sondern als Wachstumsfeld zu begreifen. Es braucht mehr gezielte Ansprache, mehr Sichtbarkeit und Beratungsmodelle, die auf die spezifischen Entscheidungsdynamiken von Unternehmerinnen eingehen.
Erfolgreiche Nachfolge ist nicht nur ein Ergebnis guter Verhandlung, sondern von Vertrauen, Timing und passender Begleitung. Wenn Unternehmerinnen frühzeitig in diesen Prozess einsteigen und auf M&A Berater oder Beraterinnen treffen, die die ökonomische und menschliche Dimension gleichermassen verstehen, entsteht deutlich mehr als eine Transaktion: Es entsteht Kontinuität und eine neue Form unternehmerischer Zukunft.
Quellen:
Dun & Bradstreet Schweiz AG / KMU Next, 2025
KMU-Portal: Unternehmertum in der Schweiz: Firmen von Frauen
